Barber: Despite and still

Samuel Barber (1910-1981)
Despite and Still Op. 41

A Last Song (Graves)
My Lizard – Wish for a Young Love (Roethke)
In the Wilderness (Graves)
Solitary Hotel (Joyce)
Despite and Still (Graves)

Moderation: Mayu Yamauchi (Pianistin), Edgars Skarbulis (Bariton)

Sie hören nun den Liederzyklus „Despite and Still“ von Samuel Barber, der 1969 veröffentlicht wurde. Für diesen Zyklus hat der Komponist fünf Gedichte von Robert Graves, Theodore Roethke und James Joyce ausgewählt, in denen sich seine damalige persönliche Lebenssituation und emotionale Lage gewissermaßen widerspiegeln.

Nach dem Misserfolg seiner zweiten Oper „Cleopatra“ 1966 verlor Barber seine schöpferische Kraft und litt unter Depressionen und Alkoholsucht. Der Dunkelheit dieser Jahre entsprechen die dunklen Stimmungen der ausgewählten Texte, die Barber mit einer komplexen Harmonik und vielen Dissonanzen, Tritoni, Ganztonleitern und Clustern vertont.

Der Zyklus fängt paradoxerweise mit dem Lied “A Last Song“ an. Eine schöpferische Blockade hindert einen Dichter daran, sein künstlerisches Meisterwerk zu vollenden. Er fragt sich, wann er endlich aufgeben kann, ob er weiterschreiben muss, bis seine Fingernägel bluten und das Fieber ihn schüttelt. Oder wird es ihm eher helfen, unter einer warmen Decke gemütlich zu sitzen und den klaren Mondschein zu betrachten, bis ihn die Inspiration wieder aufsucht? Wann wird er das Flüstern seiner Muse wieder hören?

Das zweite Lied heißt „My Lizard“ – meine Eidechse, so nennt das lyrische Ich etwas ironisch seine jüngere Geliebte. Er wünscht, dass sie ein schönes Leben führt, nicht durch Gefühle wie Hass und Kummer körperlich und seelisch altert, dass sie schön und vital bleibt, auch wenn er nicht mehr lebt. Seine Wünsche werden vom Klavier mit durchgehenden Sechzehntelnoten begleitet, die an die flüchtigen Bewegungen einer Eidechse erinnern.

Das dritte, kontemplative „In the Wilderness“ erzählt von dem vierzigtägigen Aufenthalt Jesus‘ in der Wildnis, wo Basilisken, Nymphensittiche und enorme Fledermäuse sowohl im Text als auch sehr illustrativ im Klavierpart auftauchen. Auf diesem beschwerlichen Weg wird er von einem Sündenbock begleitet – eine Metapher für jemanden, der im Leben auf der Suche ist – nach sich selbst oder nach Vergebung.

„Solitary Hotel“ basiert auf einem rätselhaften Textausschnitt aus James Joyces „Ulysses“. Die Vertonung malt ein atmosphärisches Bild, oder noch mehr lässt eine Filmszene entstehen mit der Begleitung eines Tangos im Hintergrund. Es geht um ein Nichttreffen: ein Musiker in einer Hotel-Bar beobachtet die zögerliche, letztendlich verfehlte Begegnung zwischen einer einsamen Frau und einem jungen Mann. Es bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten.

Im letzten Lied „Despite and Still“ stehen das lyrische Ich und seine Geliebte vor einer endgültigen Entscheidung: sollen sie auseinandergehen oder sich weiter um ihre Liebe bemühen? Diese Spannung wird musikalisch durch Dissonanzen, Glissandi und das gehämmerte Triolenmotiv im Klavier dargestellt. Das Lied und damit auch der ganze Zyklus enden mit dem leidenschaftlichen Appell, trotz aller Schwierigkeiten sich für die Liebe zu entscheiden und um sie zu kämpfen.

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